Folke Köbberling & Martin Kaltwasser Musterfassade/Model Façade 2008 Fundholz, Dachlatten Reclaimed wood, battens 120 x 120 x 280 cm Village Resort Brandenburg, Beelitz
Zwischen dem Beelitzer Altstadtkern und dem städtischen Freibad befindet sich ein weitläufiger Grünbereich aus verwachsenen Büschen und Schrebergärten sowie mehreren Garagenzeilen. Die Garagen stammen aus DDR-Zeiten und werden kaum mehr genutzt. Sie sind mit Graffiti besprüht, ein Phänomen, das im Altstadtkern kaum zu entdecken ist. Dort, im Sanierungsgebiet, ist man mit viel Einsatz bemüht, sie fernzuhalten. Hier aber sieht es anders aus. Wir haben eines der Graffiti auf der Garagenrückwand in Originalgröße in zweifacher Ausfertigung aus Fundhölzern kopiert und zu Musterfassaden für zukünftige Bebauungen in Beelitz erklärt. So blickten die BeelitzerInnen unvermittelt auf zwei aufgeständerte Holzreliefs auf der Wiese hinter den Garagen. Die im Baugeschehen häufig verwendeten Fassadenmuster dienten als Vorbild zu dieser Arbeit. Es sind Ausschnitte der angehenden Fassadengestaltung, ebenfalls im Maßstab 1:1 und mit Originalmaterialien gearbeitet, die vor Baustellen aufgebaut werden, gut sichtbar für die Öffentlichkeit. Graffiti kommen in der Vorstellungswelt von Stadtplanern und Architekten generell nur als Ärgernis, Vandalismus und kriminelle Fassadenverunreinigungen vor. Graffitimaler gelten hierzulande sogar per Gesetz als Kriminelle. Dennoch gelten Graffiti als zutiefst urbane Kulturtechnik, als Ausdruck von authentischer Subkultur. Im Umfeld einer auf Tourismus orientierten Stadtkultur wie in Beelitz wirken die Graffiti deplatziert, aber sie verweisen auf »das Andere«, nämlich auf eine vor Ort existierende Kultur von Jugendlichen, die nach Ablauf ihrer Schulzeit in der Regel das Weite suchen – trotz bzw. wegen subventionierter »Stadtverhübschung«, Denkmalschutz und »Unser Dorf soll schöner werden«Maßnahmen. Die Musterfassaden nehmen diese Subkultur auf bzw. ernst, sie verweisen auf eine gegenwartsbezogene Kultur, auf Urbanität, auf Verborgenes, auf Zukünftiges, auf die Alternative zur achselzuckenden Vergoldung der Bürgersteige, die abends hochgeklappt werden. Die Alternative lautet in diesem Fall: Experimente! Graffiti zu Hausfassaden! There are several rows of dilapidated garages at the edge of a fairground with adjacent allotments and shrub ground, situated between Beelitz old town and the new outdoor public swimming pools. Most of the garages, left over from GDR times, have fallen into disuse. They are covered in graffiti, which is virtually absent from the historic old town where huge efforts are made to combat its appearance. Things are different here, outside the conservation area. We took one of the graffiti on the rear wall of the garages and made two life-size copies onto reclaimed wood. We declared the two panels to be model façade components for use in future building projects in Beelitz town, and presented them on wooden relief panels to the astonished residents of Beelitz at the back of this garage lot. The work was inspired by the sort of model façade test components often prominently mounted on building sites. Planners and architects consider graffiti an assault on public order, and vandalism, which spoils their façades. In Germany, creating graffiti is a criminal offense. Yet graffiti is also a vibrant expression of urban counterculture. In Beelitz, a tourist destination dependent on its heritage, graffiti seem out of place. However, graffiti is an indication of the presence of a younger population, which tends to leave town soon after school, in spite or because of the public funding available for the conservation of the town’s historic architecture. The model façade project reflects the presence of that counterculture and contemporary urban trends that are less visible in the gilded prettiness of petrified Beelitz. The alternative in this case is: experiments, graffiti to house fronts!