Folke Köbberling & Martin Kaltwasser SUV 2008 Simultanhalle, Köln
Nach
Martin Buber findet der Mensch erst durch die Anerkennung eines
anderen zu sich selbst und zu einem menschenwürdigen Dasein. Ich ist
das, wozu ein anderer du sagt, womit dem Dialog, der gegenseitigen
Öffnung zueinander, eine existentielle Bedeutung zukommt. In einer
´solchen Gesellschaft ist nicht der Einzelne als Individuum
entscheidend, sondern nur mehr die kommunikativen Verbindungen zwischen
den „Knoten im zwischenmenschlichen Netz“, wie der Kulturphilosoph
Vilém Flusser es formulierte. Eine solche Gesellschaft ist allerdings
keineswegs Realität, sondern nach wie vor utopisch, vielleicht
utopischer denn je. In unserer Zeit pocht das Individuum auf seine
Einzigartigkeit, seine Karriere und seine Statussymbole. Gemeinhin gilt
das Recht des Stärkeren, Rücksichtnahme und Bescheidenheit sind als
Tugenden etwas aus der Mode gekommen. Sichtbarer Ausdruck dieser Haltung
sind trotz CO²-Debatte die so genannten Sport Utility Vehicles, auf
Straßentauglichkeit getrimmte Geländewagen, kurz SUV’s. Beworben mit
Worthülsen wie Freiheit, Grenzenlosigkeit und Individualität wirken sie
im städtischen Umfeld irgendwie deplatziert und an den Erfordernissen
vorbei geplant. Ursprünglich dem militärischen Umfeld entstammend zeugen
die SUV’s eher von Eingeschränktheit und Abkapselung als von
Grenzenlosigkeit. Es sei denn, es geht darum, aus der sicher
abgeschotteten eigenen Situation heraus, die Grenzen anderer zu
überschreiten. Wie also ist es möglich eine solche Kapsel für den
Dialog zu öffnen? Das Künstlerpaar Folke Köbberling und Martin
Kaltwasser zeigte in diesem Jahr im rahmen des festivals ctm08 in
Berlin bereits eine begehbare Skulptur aus gefundenen Holzresten, die
sie in die Form zweier frontal kollidierender SUV’s brachten. Indem sich
die beiden zerborstenen Kühlerhauben abschüssig gegeneinander neigten,
rutschen die jeweiligen Insassen aufeinander zu und wurden geradezu in
den Dialog gezwungen. Mit der Arbeit in der Simultanhalle widmen sich
die beiden Wahlberliner noch älteren Abschottungsmechanismen: Die
Bunkeranlagen des 2. Weltkriegs, einst als atlantische Schutzwälle
propagandistisch gefeiert, zeigten schon vor rund 70 Jahren
eindrucksvoll wie Bezeichnung und Realität auseinander klaffen können.
Bereits hier dienten die Bunker weniger dem Schutz, als vielmehr dem
Machterhalt eines vermeint-lichen tausendjährigen Reiches. Die Menschen,
gegen die sich die Bunkeranlagen und die panzerähnlichen SUV`s
richten, sind sicherlich keine, mit denen man im Buberschen Sinne in
einen Dialog treten möchte. Aus den Egokapseln heraus gilt es vielmehr
die anderen Menschen zu beherrschen und ihnen gegenüber die eigene
Überlegenheit zu demonstrieren. Marcel Marburger